WER MUSS INSOLVENZANTRAG STELLEN?

GELD

Bekanntlich müssen Geschäftsführer*innen von GmbH, GmbH & Co. KG bzw. Vorstände von Aktiengesellschaften bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft Insolvenzantrag stellen. Andernfalls machen sie sich strafbar – und haften mit ihrem privaten Vermögen für die Ausfälle der Gläubiger*innen.

Aktuell fallen in vielen Branchen Umsätze ganz oder teilweise aus. So stehen auch solide Unternehmen sehr schnell vor der Situation, dass sie ihre Zahlungen einstellen müssen – einfach, weil die Kassen leer sind und Rücklagen nicht vorhanden.

Neue gesetzliche Regelungen geplant

Der Gesetzgeber möchte die Unternehmen vor einer Flut von Insolvenzanträgen bewahren und plant daher, die Insolvenzantragspflicht auszusetzen. Zunächst befristet bis 30.09.2020, evtl. verlängerbar bis 31.03.2021. Das soll aber nur für Unternehmen gelten, die erst durch Corona in die Krise geraten sind!

Im Gesetzentwurf, den das Bundesjustizministerium aktuell vorbereitet, soll es nach einem Bericht des Handelsblatts eine Vermutungsregelung geben: „Ist die Insolvenzreife am oder nach dem 13. März 2020 eingetreten, so wird vermutet, dass sie auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruht“.

Praktische Anwendung der neuen Regelungen

Diese Vermutung greift z. B.

  • für die Fotografin oder den Physiotherapeuten, die nachweisen können, dass sie eigentlich ein voll ausgebuchtes Frühjahr hatten – bis der Virus kam und alle Kunden ihre Foto-Aufträge bzw. Behandlungswünsche vorerst zurückzogen. Allerdings sind Solo-Selbständige ohnehin nicht in der Insolvenzantragspflicht, es sei denn sie wären eine Einpersonen-GmbH. Die Insolvenzantragspflicht gilt ja nur für Unternehmen, bei denen keine natürliche Person persönlich haftet.
  • Oder für die Messebauer-GmbH, die für ihre Kunden fertige Messeaufbauten in ihrer Werkstatt stehen hatte, als die Messe abgesagt wurde, und die jetzt mit den Kunden darüber streitet, ob sie die Aufträge trotzdem bezahlen.

Die Vermutung gilt dagegen nicht zugunsten von Unternehmen, die vorher schon zu kämpfen hatten, und denen jetzt Corona den Rest gibt. Die Abgrenzung wird unter Umständen nicht einfach zu treffen sein.

Geschäftsführer*innen werden also sehr gründlich prüfen müssen, ob die Insolvenzlage vor dem 13. März 2020 bereits bestand.

A) Die Insolvenzlage ist tatsächlich erst nach dem 13.03.2020 entstanden

Gehört das Unternehmen tatsächlich zu den neu in die Krise gekommenen Corona-Geschädigten, ist die neue gesetzliche Regelung trotzdem kein Freifahrschein. Die Geschäftsführung muss dann weiter prüfen, ob sie davon ausgeht, dass das Unternehmen die Krise heil überstehen kann. Hierbei darf sie alle Hilfsmaßnahmen berücksichtigen, die der Gesetzgeber gerade auffährt, und von denen sie ausgeht, dass sie auf sie Zugriff bekommt:

Natürlich kann das Unternehmen auch anderweitig versuchen, Kosten zu sparen:

Kommt die Geschäftsführung dann anhand eines plausiblen Liquiditätsplans zum Ergebnis, dass das Unternehmen bis 30.09.2020 durchhalten kann, muss kein Insolvenzantrag gestellt werden.

Konkretes Beispiel: Beschließt die Bundesregierung oder ein Bundesland tatsächlich verlorene Zuschüsse in einer Höhe, die ausreichen, um bei der og. Messebau-GmbH die (bestmöglich reduzierten) Kosten bis Ende September zu decken, besteht keine Insolvenzantragspflicht. Dasselbe würde gelten, wenn das Unternehmen seine Kreditlinien ausweiten könnte, und es realistisch ist, dass es den Kredit über die Laufzeit hinweg zurückführen können wird.

Ergibt der Liquiditätsplan dagegen, dass alle Maßnahmen am Ende nicht dazu führen werden, dass das Unternehmen bis zum 30.09.2020 finanziell überlebt, ist Insolvenzantrag zu stellen. Und zwar umgehend. Andernfalls treten die Haftungsfolgen beim Geschäftsführer ein.

B) Die Insolvenzlage bestand schon vor dem 13.03.2020

Kriselte es im Unternehmen nachweislich schon vor dem 13.03.2020, gilt natürlich dasselbe. In diesem Fall kommt hinzu, dass die Geschäftsführung auf keinen Fall versuchen sollte, Corona-Hilfen zu bekommen statt Insolvenzantrag zu stellen. Das wäre strafbar und führt zur persönlichen Haftung der Geschäftsführer*innen.

Sanierung

Das Insolvenzrecht bietet inzwischen einige Möglichkeiten, das Unternehmen zu sanieren und fortzuführen. Keinesfalls führt jede Insolvenz zur Abwicklung des Unternehmens. Lassen Sie sich beraten.

#digitaleNestwaerme

Autorin: Cornelia Hübner

Stand: 20.03.2020, 9.30 Uhr